Ich denke wahnsinnig gerne an meine Schwangerschaft zurück. An das stolze Gefühl, einen kleinen Menschen in mir zu tragen, der täglich größer und stärker wird. An das Gefühl der unendlichen Vorfreude, diesen kleinen Menschen schon ganz bald in den Armen halten und kennenlernen zu dürfen. Besonders gerne denke ich dabei an das beruhigende Gefühl zurück, das ich von Anfang an in mir trug. Das Gefühl des unerschütterlichen Vertrauens. In mich als werdende Mutter und in mein noch ungeborenes Kind. Dieses gute Gefühl begleitet uns seitdem Tag für Tag und leitet uns den Weg. Mit meinem Erfahrungsbericht zum Thema „Bindungsorientierte Erziehung“ möchte ich euch heute Mut machen, intensiv auf euer Bauchgefühl zu vertrauen und euch nicht beirren zu lassen.
Damals vor 1,5 Jahren…
In der Schwangerschaft war ich weiterhin so sehr mit meiner Selbständigkeit und unserem anstehenden Umzug beschäftigt, dass ich kaum Mama-Ratgeber oder passende Apps wälzte. Ich hatte fast schon ein schlechtes Gewissen, mich vielleicht zu wenig um dieses große Thema zu kümmern. Ich wusste oft nicht, wann mein Wochenwechsel war und freute mich daher umso mehr auf unsere anstehenden Frauenarzttermine. Ich genoss meine Schwangerschaft in vollen Zügen. Ich konnte weiterhin meinen Vorhaben nachgehen und machte mir kaum Gedanken. Die Schwangerschaft lief irgendwie so nebenher. Ich spürte und vertraute uns. Mir und meinem Kind.
Dank der vielen Glückshormone waren mir sogar die heftigen Wassereinlagerungen und meine neu dazugewonnenen (30!) Kilo völlig egal. Hätte mir jemand zuvor ein Foto vom Ende meiner Kugelzeit gezeigt, natürlich ohne diesen magischen intravenösen „Happy-Feelings-Cocktail“ im Blut, wäre ich wahrscheinlich schreiend davongelaufen.
BINDUNGSORIENTIERTE ERZIEHUNG
Zum damaligen Zeitpunkt hatte ich noch keinen blassen Schimmer davon, dass Begriffe wie bindungsorientierte bzw. bedürfnisorientierte Erziehung oder Attachment Parenting überhaupt existieren. Ich erinnere mich noch gut daran, dass für mich vollkommen klar war, wenn mein Kind dann auf der Welt wäre, es selbstverständlich in einem Beistellbettchen schlafen würde. Das war das, was ich von Außen suggeriert bekam. Das war das, was ich ohne die neu geschärften Sinne einer frischgebackenen Mutter oberflächlich wahrnahm und glaubte, selbst auch tun zu müssen. Ohne nur einen Gedanken daran zu verschwenden, dass mein Kind und ich dieses Beistellbettchen vielleicht sogar doof finden könnten. Mein erster Aha-Moment, auf den im Laufe der Zeit noch viele weitere folgen sollten.
Es widerstrebte mir förmlich, mein kleines frisch geborenes Baby, das neun Monate lang warm eingekuschelt in meinem Bauch lag und ununterbrochen meinen Herzschlag hörte, von mir weg zu legen. Ich spürte ziemlich schnell, dass sie meine Nähe und auch ich ihren Körperkontakt brauchte, um ruhiger schlafen, ruhen und sich sorglos entwickeln zu können. Ich ignorierte also nicht nur das Beistellbettchen im Krankenhaus, sondern auch unsere viel zu teure Baby-Bay im heimischen Schlafzimmer, die zwei Tage vor der Geburt natürlich noch unbedingt gekauft werden musste.
Die Zauberkraft jeder Mutter
Ich nenne es gerne die Zauberkraft jeder Mutter. Die Intuition, schnell zu erkennen, was das eigene Kind benötigt, um dementsprechend zu handeln. Jedes Kind ist unterschiedlich und hat andere Bedürfnisse. Mein Zwillingsbruder und ich sind dafür ein gutes Beispiel. Ihm hat es selten etwas ausgemacht, in einem Beistellbett oder Kinderwagen zu liegen. Ich hingegen wollte lieber auf den Arm, forderte viel Körperkontakt und Nähe ein. Das macht sich auch noch heute in unseren Wesenszügen bemerkbar.
Vieles, was für mich vor meiner eigenen Mamarolle „normal“ schien, funktionierte bei uns nicht. Mein Kind ließ sich anfangs nicht gerne zum Schlafen auf den Rücken legen. Kein Problem. Wir mussten uns schließlich erst eingrooven und kennenlernen. Also probierten wir verschiedenste Möglichkeiten aus und landeten recht schnell beim Tragen, was super klappte. Grundsätzlich ist das Elternsein ein ständiges Ausprobieren und Kreativbleiben, um zügig Lösungen zu finden, die letztendlich für alle Parteien zufriedenstellend sind. Mir macht es sogar richtig Spaß, neue hilfreiche Ideen auszutüfteln und mich nach jedem noch so kleinen Erfolg wie MacGyver höchstpersönlich zu fühlen.
Aus einem Beistellbettchen wurde somit schnell ein Familienbett. Aus der Babywiege eine Trage und aus dem angedachten 6-Monats-Stillen ein Langzeitstillen. Dinge, mit denen ich zuvor in keinster Weise gerechnet oder über die ich teilweise sogar starke Vorurteile hatte.
Because I´m happy
Ganz klar, manchmal habe ich Rücken- oder Armschmerzen vom vielen Tragen. Manchmal könnte ich sicher erholsamer schlafen, wenn ich mehr Platz in meinem Bett hätte und ganz bestimmt wäre ich in vielen Situationen uneingeschränkter, würde ich Abstillen. Doch mein Bauchgefühl sagt mir deutlich etwas anderes. Mein Bauchgefühl sagt mir, dass mein Kind genau diese Dinge aktuell noch benötigt, um sich zufrieden und glücklich entwickeln zu können. Und ich bin happy dabei! Ganz egal, was andere Menschen dazu sagen oder wie sie es selbst handhaben.
Noch heute bekomme ich hin und wieder ungewollte Ratschläge, bei denen sich mir die Fußnägel hochrollen:
„Hast du schon mal probiert, sie einfach mal schreien zu lassen?“
„Leg´sie doch mal wach hin und dann gehst du aus dem Zimmer, sie wird dann schon irgendwann einschlafen.“
„Wie lange willst du sie denn noch tragen? Du musst an deinen Rücken denken.“
„Durch das Stillen bindest du sie zu sehr an dich, du musst endlich abstillen.“
Ratschläge von Menschen, die mir teilweise sehr nahe stehen und mich mit ihren Aussagen enttäuschen. Ratschläge von Menschen, die teilweise selbst nicht gestillt haben und allein aus diesem Grund nicht annähernd nachvollziehen können, was da eigentlich passiert. Ich möchte nicht alles schlecht reden und bin mir sicher, dass hinter diesen Aussagen keine bösen Absichten stecken – sondern lediglich komplett andere und veraltete Ansichten, die sich mit meinen nicht decken.
Die Basis für ein stabiles Leben
Ich bin sehr stolz auf mich, dass ich mich nicht beirren lasse und weiterhin auf mein Bauchgefühl vertraue. Dass ich zu 100% auf die Bedürfnisse meines Kindes eingehe, um ihm möglichst viele Weichen für ein unbeschwertes Leben zu stellen. Dass ich mein Kind mit Liebe und vor allem mit Respekt behandle und dafür täglich die süßen Früchte ernte.
Ich bin der festen Überzeugung, dass eine unbeschwerte Kindheit, soweit ich dies als Mama beeinflussen kann, die Basis für ein stabiles Erwachsenenleben ist. Dabei geht es nicht darum, keine Regeln einzuhalten und absolut jeden materiellen Wunsch von den Lippen abzulesen. Es geht vielmehr darum, mein Kind mit Aufmerksamkeit, Verständnis und Liebe auf seinem Weg zu begleiten.
Es ist gerade am Anfang nicht immer leicht, Ratschläge für sich zu sortieren und dabei einen kühlen Kopf zu bewahren. Dabei nicht aus der Haut zu fahren, sondern lieber 3x tief durchzuatmen.
Enormen Zuspruch fand ich u.a. in den Sozialen Medien wie Instagram. Dort stieß ich auf andere Mütter und Väter, die ganz ähnlich denken und handeln. Die mitunter genau wie ich, alte Muster, die aus der eigenen Kindheit automatisch vorhanden sind, hinterfragen und neu aufsetzen. Die sich nicht von Außen, sondern von Innen heraus leiten lassen und auf die Signale ihres Kindes und auf ihre eigene Intuition vertrauen.
#attachmentparenting
Darüber bin ich zum ersten Mal auf den Begriff Bedürfnisorientierte oder auch Bindungsorientierte Erziehung gestoßen. Eine Art Erziehungsstil, der bereits in den 40er Jahren vom amerikanischen Arzt William Sears entwickelt und Anfang der 2000er perfektioniert wurde. Ein Erziehungsstil, bei dem es um die Erfüllung der Grundbedürfnisse des Kindes geht. Bei dem Schutz, Körperkontakt und Nähe im Mittelpunkt stehen. Bei dem u.a. anhand von Studien erläutert und sogar bewiesen wird, dass Babys selbstverständlich nicht schreien, um ihre Eltern zu ärgern, sondern dadurch nur ein Grundbedürfnis von Bindung und Körperkontakt einfordern.
Für mich persönlich braucht es dafür keine Studien, da mir meine Empathie, mein Menschenverstand und mein Mutterinstinkt viele Dinge bereits vorgeben. Der Mutterinstinkt, der in jeder Mama steckt. Ihr erinnert euch? Die Zauberkraft jeder Mutter.
Dennoch weiß ich, wie schwer es sein kann, wieder auf sein Bauchgefühl zu hören, auf sich zu vertrauen und andere Meinungen außen vor zu lassen. Jeder von uns braucht hin und wieder Unterstützung, motivierende Worte und etwas Zuspruch. Deshalb möchte ich euch ermutigen, unbedingt auf eure innere Stimme zu hören. Ich möchte euch motivieren, euch dafür nur ein paar Sekunden Zeit zu nehmen, euch auf eure Empfindungen zu fokussieren und in euch hineinzuhören.
Wie fühle ich mich in diesem Moment mit meiner Entscheidung? Wie fühlt sich mein Kind in diesem Moment mit meiner Entscheidung? Die innere Stimme ist DER ultimative Wegweiser. Einen besseren wird es niemals geben. Er kostet nichts, ist immer bei euch und will nur das Beste vom Besten für euch. Das Beste für euch und euer Kind.
Wie denkt ihr über dieses Thema? Habt ihr schon einmal etwas von bindungsorientierter Erziehung gehört?
Euer Julchen ♥
Josi 27. Februar 2019 at 19:02
Ein sehr schöner Artikel, danke ! Du bringst die Sache sehr auf den Punkt und ich konnte viele Parallelen entdecken.
Mein Sohn ist 2,5 und ich stille noch. Ich werde von vielen Seiten belächelt oder sogar ausgelacht. Ich mache aber das, was mir und meinem Kind gut tut.
Juli 15. Februar 2019 at 13:48
Danke für diesen wundervollen und wichtigen Beitrag! So und nicht anders sollten Kinder aufwachsen. Mit Liebe, Respekt und der zuverlässigen Erfüllung ihrer Bedürfnisse (nicht Wünsche!). Dein Profil wandelt sich in einer wunderbaren Art und Weise seitdem du als Mutter geboren wurdest. Danke für dein Teilhaben-Lassen an diesem Prozess!
Sandra 15. Februar 2019 at 11:35
Es tut so gut so was zu lesen! Nicht alleine zu sein mit all diesen Themen! Familienbett, tragen, stillen – all das tue ich für meine 10 Monate kleine Maus heute noch gern! Warum? Weil sie die Nähe braucht und so viele verstehen es nicht. Außer mein Mann.. Aber ich möchte das für die kleine gerne auf mich nehmen. All die kleinen „Einschränkungen“ mit Rückenschmerzen, weniger Platz beim schlafen, stillen.. es ist so wichtig <3 sie braucht es! Danke für deinen tollen Beitrag, liebe Julia!
Vanessa 9. Februar 2019 at 20:37
Liebe Julia!
Vielen Dank für den Artikel! Ich hatte sofort Tränen in den Augen, weil ich selbst so oft, vor allem von den engsten Familienmitgliedern immer wieder gesagt bekomme, dass ich so vieles falsche mache und somit meinem kleinen Sohn und mir die Zukunft erschweren würde. Nur mein Partner ist derjenige, der mit einer unglaublichen Selbstverständlichkeit mir immer wieder sagt, dass ich, wenn ich nach meinem Bauchgefühl handle, alles richtig mache. Und auch, wenn man selbst manchmal zweifelt, ob man, wenn man auf sein Bauchgefühlt hört, das wirklich das Beste für unsere kleinen Mäuse ist, verfliegen diese Zweifel sofort, wenn man zB deinen Beitrag liest. Vielen DANK! :)
Linda 8. Februar 2019 at 1:05
Hallo liebe Julia! Nur kurz am Rande: Ich habe angefangen Dir zu folgen, kurz nachdem ich schwanger wurde, weil ich die Parallelen Selbstständigkeit & Baby spannend fand. Nun ist meine Tochter 5 Monate alt und ich muss sagen, dass es mir jetzt direkt peinlich ist, wie oft ich andere Mütter (Freundinnen) gewissermaßen verurteilt habe, weil sie in meinen Augen zu inkonsequent waren um ihr Baby schnell von sich abzunabeln. Selbst noch in der Schwangerschaft hatte ich genaue Vorstellungen davon, wie ich nach dem Wochenbett wieder schnell zu einer eigenständigen, unabhängigen Person werden würde. Die Realität hat mich rasant eingeholt. Ich hätte nicht gedacht, dass ich z.B. in der Straßenbahn stillen würde, weil ich das Weinen meines Babys keine 10 Minuten bis zu Hause ertragen kann. Ich hätte nicht gedacht, dass sich die 30cm Abstand von meiner Matratze bis ins Beistellbett unendlich anfühlen würden.
Ich hatte einfach keine Vorstellung davon, wie groß die Liebe zu diesem kleinen Wesen werden würde. Keine Ahnung davon, was Babys tatsächlich brauchen und was ich als Mutter tatsächlich brauchen würde.
Eigentlich müsste ich daher mit „gut gemeinten“ Ratschlägen und Fragen mit kritischen Untertönen von Nicht-Müttern ganz gut klar kommen können, so nach dem Motto: Ihr werdet schon selbst noch sehen. Leider bin ich nicht so cool und grübel oft lange über die Worte Anderer nach. Da ich mehr Freunde ohne Kinder habe, als welche mit, gibt es da auch regelmäßig neuen Stoff.
Auch gegen die veralteten Ansichten von erfahrenen Müttern kommt man mit Argumenten schlecht an, ohne ihnen zu unterstellen, selbst „schlechte“ Mütter zu sein.
Dass ich nach dem Wochenbett sofort (aber ohne großen Druck) wieder mit der selbstständigen Arbeit begonnen habe, wirft bei mir selbst zusätzlich noch Zweifel darüber auf, was gut für mein Baby und mich ist. Und dann noch die häufigen kindlichen Entwicklungsschübe, die manchmal gerade erworbene Gwissheiten über die Vorlieben und Reaktionen der Kleinen von jetzt auf gleich über den Haufen werfen.
Da fällt es einem wirklich nicht leicht, selbstsicher zu sein und seine Entscheidungen vor Anderen zu verteidigen. Andererseits ist vermutlich eben genau dieses beständige Hinterfragen der eigenen Vorgehensweise auch der Weg um letztendlich die richtigen Entscheidungen für mein Baby und mich zu treffen.
Danke auf jeden Fall für Deine Gedanken dazu! Es fühlt sich wirklich gut an zu wissen, dass man sich mit diesem Thema nicht alleine den Kopf zerbricht.
Linda 7. Februar 2019 at 15:58
Wunderschön geschrieben. Stimmt zu 100%. Man weiß einfach als Mama was für das eigene Kind am besten ist.
Manu 6. Februar 2019 at 20:49
Ein schöner Artikel, den ich so unterschreiben würde!